„Es lohnt sich, dranzubleiben!“
Seit einigen Jahren experimentieren die Verantwortlichen der Bäckerei Brunner im bayerischen Weiden immer mal wieder mit HT-Trennmehlen in der Backproduktion. Der überzeugende Erfolg stellte sich aber erst ein, als man sich im Rahmen eines Modellprojekts die Unterstützung der BGN und des Mehlherstellers GoodMills Innovation ins Haus holte. Heute werden die Trennmehle bei Brunner großflächig eingesetzt und keiner will sie mehr missen.
„Die meisten Mitarbeiter waren sehr skeptisch, als unser Chef Gerhard Brunner bereits vor zehn Jahren HT-Trennmehl ausprobieren wollte“, blickt Diplom-Trophologin und Qualitätsmanagerin Maria Richtmann zurück. Immer mal wieder setzte man die Mehle an verschiedenen Maschinen und Arbeitsplätzen ein, aber so wirklich zufrieden war niemand und die Reaktionen der Beschäftigten waren eher verhalten. Also blieb alles beim Alten und die Trennmehle außen vor. Das hat sich mittlerweile grundlegend geändert. Heute werden diese Mehle fast überall in der riesigen Backstube, in der täglich für 73 Filialen Backwaren produziert werden, genutzt. Das Ganze ist längst eine Erfolgsstory: weniger Mehl, weniger Staub, weniger Keime, weniger Kosten – mehr Gesundheitsschutz für die Beschäftigten – so lassen sich die Vorzüge kurz und knapp auf den Punkt bringen.
Warum HT-Trennmehle überhaupt so empfehlenswert sind, erklärt Siegfried Döbler, BGN-Branchenkoordinator für Backbetriebe: „Dieses hydrothermisch behandelte Mehl, das in der Backstube ausschließlich als Trennmehl verwendet wird, ist die einfachste und effektivste Methode, um die Mehlstaubbelastung zu reduzieren und damit Atemwegserkrankungen vorzubeugen.“ Um den Einsatz der Trennmehle zu pushen, hat die BGN im Rahmen des Prämienverfahrens das Modellprojekt „Einsatz von HT-Mehlen bei Brot- und Brötchenanlagen“ ins Leben gerufen. Dass das notwendig und eine gute Idee war, zeigt ein Blick in die Statistik. „Wir zahlen jährlich im Durchschnitt 22 Millionen Euro an Entschädigungsleistungen für Versicherte, die an Bäckerasthma erkrankt sind. Das ist ungefähr die Hälfte wie für die jährlichen Folgen aller Arbeitsunfälle in der Backbranche zusammen“, erklärt Siegfried Döbler. „Dabei machen unsere insgesamt 12.600 Backbetriebe knapp sechs Prozent aller bei der BGN versicherten Unternehmen aus.“ Diese Kosten zu senken, kommt letztendlich allen bei der BGN versicherten Unternehmen in Form sinkender Beiträge zugute. Jeder Backbetrieb, der an dem Modellprojekt teilnimmt und Trennmehle in seinem Betrieb nutzt, erhält 10 Prämienpunkte.
„Wer auf HT-Trennmehle umstellen will, sollte sich genug Zeit lassen und die Unterstützung der BGN in Anspruch nehmen“, sagt Qualitätsmanagerin Maria Richtmann.
„Endlich der Durchbruch – ich wollte schon lange staubfreies Trennmehl einsetzen, weil mir die Gesundheit meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr am Herzen liegt!", freut sich Gerhard Brunner, Inhaber und Geschäftsführer der Bäckerei Brunner.
„Wieso funktioniert das bei uns nicht?“
Für das Modellprojekt der BGN können sich alle Backbetriebe anmelden und werden dann von den Fachleuten der BGN beraten und betreut. So auch die Verantwortlichen bei Brunner. „Es kann doch nicht sein, dass der Einsatz dieser Mehle in anderen Backbetrieben funktioniert, nur bei uns nicht“, dachte sich Maria Richtmann und ließ zusammen mit Stephan Kelnhofer, ihrem Kollegen in der Qualitätssicherung, nicht locker. „Er hat das zu seinem persönlichen Projekt gemacht. Als wir das Go von der Geschäftsführung bekamen, begleitete er den Einsatz Maschine für Maschine, Produkt für Produkt.“ An einigen Arbeitsplätzen sei die Umstellung auf Trennmehle schnell, einfach und unkompliziert möglich gewesen, an anderen habe es zusätzliche Änderungen gebraucht, zum Beispiel eine Reduktion der Mehlmenge oder einen Austausch der Siebe. „Als dann die Kaisersemmelanlage an der Reihe war, standen wir vor einer der größten Herausforderungen. An ihr wird nämlich der bekannte Stern in die Kaisersemmel ‚reingestüpfelt‘.“
„Genau zu diesem Zeitpunkt wurden wir auf das Modellprojekt der BGN aufmerksam, haben Kontakt aufgenommen und konnten teilnehmen“, so die Qualitätsmanagerin. Ihr Kollege sei sehr skeptisch gewesen, ob das Stüpseln mit der von der BGN und GoodMills Innovation empfohlenen Mehlstärkemischung als Trennmehl funktionieren würde. Entsprechend groß war die Spannung, als an einem frühen Sonntagmorgen im Spätsommer 2022 Siegfried Döbler von der BGN und Jörg Brose vom HT-Trennmehl-Hersteller GoodMills Innovation mit in der Backstube standen und die ganze Kaisersemmelanlage auf das neue Trennmehl umgestellt wurde. „Es hat von Anfang an super funktioniert und das war der eigentliche Aha-Moment bei uns. Jetzt wussten wir, dass wir mit diesen Mehlen sehr gut arbeiten können, und die Skepsis wich großem Optimismus“, fasst Maria Richtmann die Stimmung in der Backstube zusammen. „Wir konnten direkt an diesem Tag die Mehlmenge um die Hälfte reduzieren. Als wir nach und nach weitere Siebe austauschten, ging die Menge noch mal runter.“ Auch Siegfried Döbler war überaus zufrieden mit der sonntäglichen Aktion bei Brunner: „Die BGN-Messergebnisse zeigten direkt eine Verringerung der Keimbelastung in den Liegestäuben und der Luft.“
Fast überall im Einsatz
Aktuell sind 80 Prozent aller Trenn- und Staubmehle bei der Bäckerei Brunner HT-Trennmehle. Nur beim bekannten Oberpfälzer Landbrot kommen sie nicht zum Einsatz. Da würde es die gewünschte Oberflächenstruktur zerstören und das kommt deswegen nicht infrage. „Das ist eine rein optische Sache und ich bin mir sicher, dass wir auch hier irgendwann eine Lösung finden werden“, ist Maria Richtmann überzeugt. Nach ihren Erfahrungen würde sie gern andere Bäckereien motivieren, über die Verwendung von Trennmehlen nachzudenken. „Diese Mehle haben sehr viele Vorteile, nicht nur für die Gesundheit der Beschäftigten, sondern auch unter Kostengesichtspunkten. Wer sich auf den Weg macht, sollte sich aber die nötige Zeit nehmen, nicht frühzeitig aufgeben, sondern dranbleiben. Am besten, man fängt mit einer leichten Aufgabe an, das war bei uns die Teigschneidemaschine CTR, mit der Teige ausgerollt und gestanzt werden“, blickt Maria Richtmann zurück. „Man sollte Schritt für die Schritt einzelne Maschinen und Arbeitsschritte überprüfen und umstellen und nicht alles auf einmal machen. Die BGN hilft dabei.“
Trennmehle – erhitzen, trocknen, fertig
Bei der Herstellung von HT-Trennmehlen werden sowohl handelsübliche Backmehle als auch Mehle spezieller Getreidesorten mit Wasser versetzt, anschließend eine kurze Zeit über 200 Grad erhitzt und getrocknet. Durch diesen rein physikalischen Prozess ballen sich die Feinstaubpartikel des Mehls zu gröberen Mehlpartikeln zusammen. Diese wirbeln bei der Verarbeitung weniger stark auf und setzen sich schneller ab, deshalb staubt es deutlich weniger in der Backstube. Außerdem haben sie eine veränderte Oberfläche und treten damit – wenn sie eingeatmet werden – weniger in Kontakt mit den Atemwegen, wodurch die sensibilisierende Wirkung sinkt. Weil HT-Mehle keine deklarationspflichtigen Zusatzstoffe enthalten, gelten sie als „Clean Label“-Produkte. Sie werden auf Basis von Weizen und Roggen sowie in verschiedenen Qualitäten und Feinheiten produziert. Sie werden in der Backstube ausschließlich zum Trennen verwendet und an allen Stellen benötigt, an denen Teig mit Oberflächen in Kontakt kommt.
Bäckerasthma
Allergisches Asthma und allergischer Schnupfen in Verbindung mit einer Mehlstauballergie ist eine der häufigsten Berufskrankheiten. Sie kann bereits nach kurzer Zeit, aber auch erst nach einigen Berufsjahren entstehen. Häufig beginnt die Krankheit mit Fließ- oder Stockschnupfen, behinderter Nasenatmung, Niesen und Bindehautentzündungen während der Arbeit. Unentdeckt und unbehandelt droht ein „Etagenwechsel“ zum allergischen Asthma mit erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen wie Husten, Atemnot und Erstickungsanfällen. Schlimmstenfalls droht die Berufsaufgabe. Durch den Einsatz von HT-Trennmehlen verringert sich die Mehlstaubbelastung deutlich – und die Wahrscheinlichkeit, an Bäckerasthma zu erkranken, sinkt enorm.
Fakten zur Bäckerei Brunner
73 Filialen mit
740
Täglich etwa
7.000
Täglich etwa
60.000
Täglich etwa
12.000
Pro Woche etwa
45 Tonnen
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