Portrait Markus Haaß und Claudia Mattke, Lärmfachleute BGN
Beratung vor Ort

Dem Lärm auf der Spur

Lärmfachleute der BGN kommen bei Bedarf in Ihren Betrieb, führen dort schalltechnische Messungen durch, analysieren diese und schlagen Maßnahmen für eine effektive Lärmminderung vor. Claudia Mattke und Markus Haaß erklären, in welchen Branchen es besonders laut ist und wie eine Beratung konkret abläuft.

Akzente: Wie viele Lärmexpertinnen und -experten gibt es bei der BGN?

Claudia Mattke: Bundesweit 15. Sie kommen aus verschiedenen BGN-Abteilungen und befassen sich alle aus unterschiedlichen Perspektiven heraus mit dem Thema Lärm. Die meisten haben aber noch andere Aufgaben und Spezialgebiete wie die Betriebsbetreuung, Gefahrstoffmessungen oder auch Maschinenprüfungen. Herr Haaß, unser Kollege Ronny Herzog und ich sind die einzigen, die sich ausschließlich mit dem Thema Lärm und Vibrationen befassen. Das ist unser Spezialgebiet und wir unterstützen bei tiefergehenden Fragestellungen die regional ansässigen Kolleginnen und Kollegen im ganzen Bundesgebiet.

Markus Haaß: Sie müssen sich das so vorstellen: In unserem Zentrallabor ist beispielsweise der Messtechnische Dienst angesiedelt. Diese Kollegen führen unter anderem Lärmmessungen durch. Daneben gibt es den Technischen Aufsichtsdienst mit den Aufsichtspersonen (AP), die sich vor Ort in den Betrieben um die Lärmexpositionen kümmern und auch tätig werden, wenn es um die Erfassung und Beurteilung von Berufskrankheiten geht. Dann haben wir noch den Arbeitsmedizinischen und Sicherheitstechnischen Dienst (ASD*BGN) der BGN, der sich auch mit Lärm befasst. Im Gesundheitsschutz nähern sich darüber hinaus Ärztinnen und Ärzte dem Thema aus medizinischer Sicht. Und dann gibt es noch Frau Mattke und andere Kollegen in der Abteilung Zentrale Anlagenberatung.

Akzente: Das hört sich ja nach jeder Menge Einzelkämpfer an.

Mattke: Ja, das war früher auch so. Eine regelmäßige Kommunikation zwischen den Abteilungen gab es kaum. Um das zu ändern, wurde bereits vor 15 Jahren das Netzwerk Lärm und Vibrationen gegründet. In diesem Rahmen treffen wir uns regelmäßig, tauschen uns zu allem aus, was so anfällt, und arbeiten gemeinsam an verschiedenen Projekten beziehungsweise Lösungen. Jeder bringt seine Sichtweise und Expertise ein und wir ergänzen uns gegenseitig. Das funktioniert sehr gut.

Im Gespräch mit Claudia Mattke, Lärmfachexpertin der BGN

„Sie können sich kaum vorstellen, wie laut es ist, wenn Nüsse auf ein Blech oder Transportband fallen.“

Im Gespräch mit Markus Haaß, Lärmfachexperte der BGN

Akzente: In welchen BGN-Branchen ist es besonders laut?

Haaß: Vor allem in der Getränke- und Fleischindustrie – prinzipiell kann es aber überall laut werden, auch in der Süßwarenherstellung. Sie können sich kaum vorstellen, wie laut es ist, wenn Nüsse oder unverpackte Bonbons aus einer gewissen Höhe auf ein Blech oder ein Transportband fallen. Das hört sich an, also ob kleine Steine irgendwo herunterprasseln. In der Nahrungsmittelindustrie sind außerdem viele sehr alte Maschinen im Einsatz. Die sind halt lauter als neuere Modelle. In Kombination mit älteren Gebäuden können hier sehr hohe Lärmpegel entstehen. Und es wird schwierig, Gegenmaßnahmen vorzuschlagen, weil diese oft hohe Investitionen nach sich ziehen. Das können viele Betriebe nicht mal eben so stemmen.

Akzente: Wie läuft denn eine Kontaktaufnahme zu den Betrieben ab, die Ihre Expertise brauchen?

Mattke: In der Regel über die zuständige AP, die uns um Unterstützung bittet. Es gibt aber auch Verantwortliche in den Betrieben, die sich direkt an uns wenden, beispielsweise per Mail an laermschutz@bgn.de oder in den Seminaren, die wir veranstalten. Aber eine konkrete Lärmpegelmessung muss immer die zuständige AP bei dem Leiter des Messtechnischen Dienstes anfragen. Die Betriebe können uns nicht direkt beauftragen. Die AP hat immer die Fäden in der Hand, auch wenn der Messauftrag auf einem anderen Weg an uns herangetragen wurde. 

Akzente: Wenn Sie nun den Auftrag bekommen, in einem Betrieb Messungen durchzuführen: Wie bereiten Sie sich vor und welche Ausrüstung haben Sie dabei?

Haaß: Wir führen im Vorfeld Gespräche mit der zuständigen AP und, wenn nötig, mit den Verantwortlichen im Betrieb. Wir lassen uns Hallenpläne und Fotos schicken und versuchen, so viele Informationen wie nötig zu bekommen – auch um den Zeitaufwand für die Messung gut abschätzen und eingrenzen zu können. Danach richtet sich auch die Ausrüstung, die wir mitnehmen. Standard sind verschiedene Schallpegelmesser mit unterschiedlichster Software. In speziellen Fällen nehmen wir auch mal die akustische Kamera mit, die es nur hier bei uns in Mannheim gibt, oder andere Messgeräte wie eine Intensitätssonde oder Raumakustikequipment.

„Die zuständige Aufsichtsperson hat immer die Fäden in der Hand.“

Akzente: Und wie läuft dann der Termin im Betrieb konkret ab?

Mattke: Wir führen zuerst Gespräche mit allen Beteiligten, um noch mal die wichtigsten Punkte zu klären. Dann schauen wir uns gemeinsam die entsprechenden betrieblichen Bereiche an, beobachten Abläufe, machen uns dazu Notizen und führen orts- oder personenbezogene Messungen durch. In der Regel gibt es direkt im Anschluss eine Abschlussbesprechung, in der wir ad hoc mögliche Lärmminderungsmaßnahmen vorschlagen und uns natürlich auch den Standpunkt der Verantwortlichen anhören.

Akzente: Müssen die Betriebe die von Ihnen empfohlenen Maßnahmen umsetzen? Drohen Sanktionen, wenn sie das nicht tun?

Haaß: Nein, von unserer Seite sind es nur Vorschläge und Empfehlungen, auch wenn es laut der Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung für die Betriebe verpflichtend ist, für bestehende Lärmbereiche ein Lärmminderungsprogramm aufzustellen. Zudem muss der Betrieb unabhängig davon, wie laut es dort ist, den Stand der Technik einhalten. Dazu gehören beispielsweise auch raumakustische Maßnahmen. Unsere Vorschläge orientieren sich immer an den örtlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten. Wir schlagen nichts vor, was der jeweilige Betrieb auf keinen Fall umsetzen kann – sei es, weil der nötige Platz im Gebäudebestand fehlt, bestimmte Hygienevorschriften es nicht zulassen oder die Kosten schlicht und ergreifend nicht leistbar sind.

Akzente: Wenn die Verantwortlichen im Betrieb signalisieren, dass sie gern die Lärmpegel senken würden: Wie geht es dann weiter?

Mattke: Wir unterstützen die Entscheider vor Ort mit konkreten Vorschlägen zu Lärmminderungsmaßnahmen und begleiten sie auch, wenn dies gewünscht wird, durch diese Umstrukturierungsphase. Wir geben unsere Erfahrungen weiter und beraten zu Dämmmaterialien, Akustikdecken, Maschinenneukauf oder -umrüstung, um nur ein paar Punkte zu nennen. Außerdem kann eine Lärmprognose erstellt und regelmäßig weitere Messungen durchgeführt werden, um den Stand nach der Umsetzung bestimmter Maßnahmen zu erfassen. Das alles kann durchaus ein Prozess über mehrere Jahre sein – vor allem, wenn der Betrieb erst mal Rücklagen für bestimmte Investitionen bilden muss.

Haaß: Wir begleiten solche Prozesse sehr gern, weil auch wir viel daraus lernen. Glücklicherweise gibt es oft auch kleinere, erschwingliche Dinge, mit denen man zu hohe Lärmpegel senken kann. Ich war vor Kurzem in einem Betrieb, da trafen ein altes „schallhartes“ Gebäude, über 60 Jahre alte Maschinen und ein sehr lautes Produkt aufeinander. Der Lärm in der Halle war ohrenbetäubend. Wir haben uns das genau angesehen und empfohlen, in einem ersten Schritt die alten Schalldämpfer an den Maschinen durch neue, nicht sehr teure Schalldämpfer zu ersetzen. Es war danach deutlich leiser, was alle Beteiligten gefreut hat. Ebenso lassen sich ohne kostenintensive Investitionen zum Beispiel Fallhöhen von lauten Produkten wie Nüssen reduzieren oder der Belag eines Transportbands von Blech auf Kunststoff umstellen. Manchmal sind es wirkliche kleine Investitionen, die schon ordentlich was bringen. Das demonstrieren ja auch immer wieder die eingereichten Beispiele für den BGN-Präventionspreis.

Mattke: Und es gibt oft nicht DIE eine Maßnahme, die alle Probleme löst, sondern es sind meistens viele kleine Dinge, die zusammen ein gutes Ergebnis erzielen. Das ist fast in jedem Betrieb so. Und hier kommt natürlich bei größeren Unternehmen die örtliche Sifa mit ins Boot. Die kennt den eigenen Betrieb am besten und kann uns wertvolle Hinweise geben.

Portrait Markus Haaß und Claudia Mattke, Lärmfachleute BGN

„Glücklicherweise gibt es oft auch kleinere, erschwingliche Dinge, mit denen man zu hohe Lärmpegel senken kann.“

Akzente: Ihre eigentliche Arbeit ist ja oft nach der Messung, der Prognose und der Beratung erledigt. Bekommen Sie dann nach einigen Monaten oder auch Jahren ein Feedback, ob sich alle Mühen gelohnt haben?

Haaß: Viel zu selten. Wir wünschen uns sehr, dass uns die Ansprechpartner vor Ort im Nachhinein informieren und uns auf dem Laufenden halten. Das geschieht im Alltagsgeschäft kaum, was wir natürlich verstehen. Manchmal erreichen uns solche Infos aber auf Umwegen. Zum Beispiel wenn eine Sifa bei uns nach Jahren ein Seminar belegt und dann erzählt, welche Maßnahmen der Betrieb umgesetzt hat und was diese gebracht haben. Das freut uns sehr.

Akzente: Bekommen die Betriebe für Ihre Messungen und Beratungen eine Rechnung gestellt?

Mattke: Nein, die Kosten dafür sind im BGN-Mitgliedsbeitrag enthalten. Eine Rechnung stellt die BGN nur, wenn wir beispielsweise Inhouse-Schulungen bei Maschinenherstellern durchführen.