Eine Frage der Thermik
Küchenlüftung? Das funktioniert doch eh nicht! Diese Aussage hört man in professionell betriebenen Küchen immer wieder und die täglichen Erfahrungen scheinen das oft zu bestätigen – trotzdem stimmt es nicht. Die Küchenlüftung kann und muss funktionieren. Akzente erklärt, warum das so ist und wie das klappt.
Beim Kochen entsteht der sogenannte Wrasen: Wasserdampf, Fettaerosole, reizende oder sogar krebserzeugende Verbrennungsprodukte und viel Hitze. Atmen die Beschäftigten in der Küche diese gefährliche Mixtur über Jahre ein, drohen Gesundheitsschäden. Folglich muss dieser Wrasen vollständig durch die Lüftung abgeführt werden. Aber wie muss eine funktionierende Küchenlüftung aufgebaut sein, woran erkenne ich Fehler und mitunter kapitale Mängel, die dafür verantwortlich sind, dass sie nicht funktioniert?
Deckel schließen
Fangen wir dort an, wo in der Küche die Musik spielt: direkt an den Kochgeräten. Manche haben Deckel – und wenn man diese schließt, kann man die Entstehung von Wrasen tatsächlich etwas begrenzen. Daher gilt: Deckel unbedingt geschlossen halten, soweit das möglich ist.
Aber natürlich gibt es auch Kochgeräte ohne Deckel, beispielsweise Grillplatten oder Fritteusen. Hier soll der Wrasen unbedingt senkrecht nach oben steigen und ohne Umwege in der Küchenlüftungshaube oder der Lüftungsdecke verschwinden.
Die Thermik hilft
Die Natur hat das übrigens schon prima eingerichtet: Der Wrasen ist wärmer als die umgebende Küchenluft und steigt deswegen eigentlich ganz von allein senkrecht nach oben, um dort in der Haube oder Lüftungsdecke zu verschwinden – das nennt man Thermikstrom. Auf Thermikströmen lassen sich auch viele Vögel und sogar ganze Segelflugzeuge nach oben tragen. Dazu reicht es in der Küche zwar nicht, aber wenn wir die dort vorherrschenden Thermikströme nicht stören, dann befördern sie den Wrasen ganz von allein nach oben in die Absaugeinrichtung.
Und damit haben wir schon den zentralen Punkt einer funktionierenden Küchenlüftung herausgearbeitet: Der Wrasen muss einfach nur ungestört nach oben steigen können. Von welchem Volumenstrom wir da sprechen? Das ist eine schwierige Frage, über die sich Ingenieurinnen und Ingenieure viele Gedanken gemacht haben. Dabei entstanden sind Formeln, mit denen sich berechnen lässt, wie viel Volumenstrom an Wrasen über den Kochgeräten entsteht und nach oben steigt. Wer eine Lüftung plant, findet die relevanten Faktoren und Details in der VDI-Richtlinie 2052 und in der DIN EN 16282-1. Auf dieser Grundlage lässt sich berechnen, wie viel Luft- beziehungsweise Wrasenvolumen eine geeignete Lüftungshaube oder die Lüftungsdecke oberhalb der Kochgeräte aufnehmen und abführen muss – und diese Menge muss korrekt ermittelt werden. Wird zu wenig von dem aufgestiegenen Wrasen erfasst, bleibt dem Restvolumen nichts anderes übrig, als ziellos durch die Küche zu vagabundieren. Dann drohen den dort Beschäftigten auf Dauer gesundheitliche Schäden, die es zu vermeiden gilt. Außerdem wird die Küche unnötig stark verschmutzt.
Deswegen gilt für jede Küche: Der Thermikstrom muss unbedingt ungestört senkrecht aufsteigen können und vollständig – nach korrekter Berechnung durch eine Fachperson – erfasst und abgeführt werden.
Zuluft braucht Führung
Damit ist es aber noch nicht getan. Denn die mit dem Wrasen aufgestiegene und in der Abluftanlage verschwundene Luft fehlt nun in der Küche. Die Lösung: Zuluft. Für diese sorgt im einfachsten Fall ein geöffnetes Fenster – aber das funktioniert höchstens in sehr kleinen Küchen mit einer Anschlussleistung unter 25 kW.
Für gewerbliche Küchen reicht das offene Fenster nicht aus, hier wird eine richtig geführte Zuluft benötigt. Genau hier kann es kritisch werden: Wird die Zuluft einfach irgendwo und irgendwie eingeblasen, bringt das zwei große Probleme mit sich, die unbedingt zu vermeiden sind:
Nicht geführte Zuluft
- erzeugt direkte Zugeffekte für das Küchenpersonal und
- trifft die Wrasen über den Kochgeräten von der Seite und bläst diese seitlich unter der Lüftungshaube heraus in die Küche und damit den Beschäftigten um die Ohren oder vielmehr um die Nase (siehe Bild oben).
Deswegen gilt: Die gesamte Küchenlüftung ist zum Scheitern verurteilt, wenn die Zuluftführung schlecht ist, denn diese entscheidet ganz allein über das Strömungsbild in der Küche. Die Abluftanlage ist völlig chancenlos, wenn der Zuluftstrom den Wrasen beliebig in der Küche verteilt.
Fünf Regeln für gute Küchenlüftung
- Die Abluftmenge muss – nach Norm – richtig dimensioniert sein und die Zuluft muss in etwa der gleichen Menge großflächig zugfrei eingebracht werden.
- Die Außenluftdurchlässe zur Luftansaugung im Freien müssen so angeordnet sein, dass keine belastete Luft in die Küche gerät.
- Die Zuluft soll gefiltert und temperiert werden.
- Die Abluft muss so abgeführt werden, dass sie nicht wieder in das Gebäude eintreten kann. Je nach Anlagengröße kann eine Wärmerückgewinnung erforderlich sein.
- Die regelmäßige Wartung und Reinigung der Anlage darf nicht vernachlässigt werden.
Gut gelöst: Ein großflächiger Luftdurchlass (vorne rechts) im Arbeitsbereich schützt die Beschäftigten vor dem Wrasen, ohne spürbare Luftströme zu erzeugen.
Ideallösung: großflächige Luftdurchlässe
Stellt sich die Frage: Wie bekommen wir die benötigten großen Mengen Zuluft in die Küche, ohne dabei Wind und Zugeffekte zu erzeugen? Das geht nur über großflächige Luftdurchlässe. Diese müssen so groß sein, dass die Ausblasgeschwindigkeit direkt am Auslass nicht über 0,2 m/s liegt – dann sind Luftströme nicht mehr spürbar und stören auch nicht den Thermikstrom über den Kochgeräten.
Diese Luftdurchlässe benötigen viel Platz, aber anders geht es nicht. Idealerweise werden sie auf Höhe des Arbeitsbereichs rund um die Kochgeräte angebracht. Dann speisen sie einen Frischluftsee, in dem das Küchenpersonal in nahezu Außenluftqualität arbeitet, während der Wrasen über den Kochgeräten senkrecht nach oben in die Haube oder Decke entschwindet. Das ist der Königsweg.
Ein grossflächiger Luftdurchlass lässt sich auch an der Wand (links sowie hinten in der Ecke) nahe dem Arbeitsbereich ...
... oder oberhalb des Arbeitsbereichs anbringen. Beide Varianten sind empfehlenswert!
Gute und günstigere Kompromisse
Zugegeben: Diese perfekte Lösung für eine Küchenlüftung lässt sich nicht immer und in bestehenden Einrichtungen nur mit viel Aufwand realisieren – doch es gibt gute Kompromisse.
Zuluftdurchlässe an der Decke
Als zweitbeste Lösung können die großflächigen Zuluftdurchlässe auch im Deckenbereich angeordnet sein – aber bitte nicht direkt über den Kochgeräten, sondern abseits davon. Dann muss die Frischluft zwar von oben erst einmal nach unten zu den Beschäftigten kommen und nimmt unterwegs ein paar Belastungen mit – aber die Küchenlüftung funktioniert so dennoch gut.
Textile Luftdurchlässe
Eine weitere, preiswertere Lösung insbesondere für die Nachrüstung bestehender Anlagen sind textile Luftdurchlässe. Das sind spezielle große Schläuche, die an der Decke aufgehängt werden. Die Zuluft strömt in diesem Fall über die gesamte textile Schlauchoberfläche mit geringer Geschwindigkeit aus. Auch diese Zuluftelemente dürfen nicht direkt über den Kochgeräten aufgehängt werden, sondern nur abseits. Andernfalls würde die ausströmende Zuluft mit den Thermikströmen über den Kochgeräten kollidieren und es gäbe eine unerwünschte Vermischung von Zu- und Abluft.
Textile Luftdurchlässe: Bei dieser preiswerten und funktionalen Lösung zum Nachrüsten ...
... bestehender Anlagen werden große Spezialschäuche an der Decke angebracht.
Nur für große Küchen: Drall- oder Schlitzauslässe
Die früher verwendeten kleinflächigen Drall- oder Schlitzauslässe sind in Küchen nur noch verwendbar, wenn die Küchen so groß sind, dass die induzierte Luftgeschwindigkeit am Ort der Beschäftigten und der Kochgeräte nicht mehr messbar ist – das ist nur noch selten der Fall. Heute sind die Küchen oft vollgepackt mit leistungsfähigen, zum Teil multifunktionalen Kochgeräten und (dadurch) so eng, dass die alte Lüftungstechnik hier regelmäßig versagt.
Checkliste: Wie gut ist meine Küchenlüftung?
Abluft: Der Volumenstrom der Abluftanlage muss nach VDI 2052 oder DIN EN 16282-1 ausgelegt sein. Das kann man den Unterlagen entnehmen oder notfalls von einem Lüftungsplaner nachrechnen lassen.
Zuluft: Der Zuluftvolumenstrom sollte etwa dem Abluftvolumenstrom entsprechen, das heißt: keine Zugeffekte an Tür- oder Fensterritzen. Ferner muss die Zuluft zugfrei derart zugeführt werden, dass sie den Thermikstrom nicht stört. (Test: Wasser kochen und schauen, ob der Dampf senkrecht nach oben steigt.)
Wartung: Wird die Lüftungsanlage regelmäßig gereinigt und gewartet? Werden eingebaute Filter kontrolliert und bei Bedarf gewechselt?
ASI 2.19 „Be- und Entlüftung von gewerblichen Küchen“
DGUV Regel 110-003 „Branche Küchenbetriebe“(Kapitel 3.3.3)
BGN Frühstücks-Treff: Webinar zum Thema „Küchenlüftung – beliebte Fehler und Fallstricke bei der Auslegung“
Termine: 19. Februar 2025, 9-10 Uhr oder 8. April 2025, 9-10 Uhr
Noch Fragen?
Wenden Sie sich an die für Ihren Betrieb zuständige BGN-Aufsichtsperson oder schreiben Sie uns eine E-Mail.
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