Arbeitnehmer Zeitarbeit
Temporäre Beschäftigte rechtssicher einsetzen

Zeitarbeit: Arbeitsschutzpflichten beachten

Die Nahrungsmittelbranche und das Gastgewerbe zählen zu den arbeitsintensivsten Sektoren der deutschen Wirtschaft. In saisonalen Spitzenzeiten oder bei kurzfristigen Personalengpässen, zum Beispiel im Falle von Langzeiterkrankten, greifen Unternehmen auch auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus der Zeitarbeit – auch Leiharbeit genannt – zurück und decken so ihren Bedarf an flexiblen Arbeitskräften. Den rechtlichen Rahmen für den Einsatz von temporären Arbeitskräften gibt das Gesetz zur Arbeitnehmerüberlassung (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz – AÜG) vor.

Im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung überlässt ein Verleiher (Zeitarbeitsfirma) einem Entleiher (etwa ein Hotel oder Lebensmittelproduzent) eine Arbeitskraft zur vorübergehenden Arbeitsleistung. Somit gestaltet sich diese Form der Arbeit in einer Dreierkonstellation: Zeitarbeitnehmerinnen und -nehmer stehen in einem Arbeitsverhältnis zum Verleiher und haben mit diesem einen Arbeitsvertrag geschlossen, arbeiten aber unter der Weisung und in den Räumlichkeiten des Entleihers. Der Aspekt der Weisungsgebundenheit ist hierbei ein wesentliches Abgrenzungsmerkmal gegenüber dem Werkvertrag. Der Werkunternehmer arbeitet eigenständig mit eigenen Mitteln und eigenem Personal und unterliegt dabei nicht dem Weisungsrecht des Auftraggebers.

Auch der Entleiher hat zentrale Arbeitsschutzpflichten

Im deutschen Arbeitsschutzrecht richten sich die Vorschriften in der Regel an den Arbeitgeber. Jedoch ist es dem Zeitarbeitsunternehmen als Arbeitgeber der überlassenen Arbeitskraft nur sehr begrenzt möglich, im Betrieb des Entleihers für den Arbeitsschutz zu sorgen. Um dieses Problem zu lösen, nimmt das AÜG nicht nur den Arbeitgeber, sondern auch den Entleiher in die Pflicht. Hier heißt es in § 11 Abs. 6 folgerichtig:

„Die Tätigkeit des Leiharbeitnehmers bei dem Entleiher unterliegt den für den Betrieb des Entleihers geltenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften des Arbeitsschutzrechts; die hieraus sich ergebenden Pflichten für den Arbeitgeber obliegen dem Entleiher unbeschadet der Pflichten des Verleihers.“

Gerade im Arbeitsumfeld der Nahrungsmittelbranche und im Gastgewerbe mit oft körperlich fordernden und sicherheitsrelevanten Arbeitsbedingungen kommt den Arbeitsschutzpflichten des Entleihers eine zentrale Bedeutung zu. Alle Präventionsmaßnahmen, die für die eigene Belegschaft getroffen wurden, müssen auch für entliehene Zeitarbeitskräfte gelten.

Herausforderungen im Nahrungsmittel- und Gastgewerbe

Beispiele für Besonderheiten in der Nahrungsmittelbranche und im Gastgewerbe, die auch und insbesondere beim Einsatz von temporär eingesetzten Arbeitskräften zu beachten sind:

  • Hohe körperliche Belastung: Arbeiten in der Lebensmittelverarbeitung, in der Verpackung und Palettierung, in Küchenbetrieben oder im Service sind oft körperlich anstrengend.
  • Hygienevorschriften und -maßnahmen: In der Lebensmittelproduktion und in Küchen gelten strenge Hygiene- und Qualitätsstandards. Desinfektion und häufiges Händewaschen können zu problematischen Hautbelastungen führen.
  • Unregelmäßige Arbeitszeiten: Schichtarbeit, Wochenendarbeit und Nachtarbeit sind üblich.
  • Logistik: Der hohe Warenumsatz bedingt einen hochfrequenten Umschlagsverkehr mit Flurförderzeugen und Lastkraftwagen. Auf unübersichtlichen Betriebsgeländen können besondere Verkehrsgefährdungen vorherrschen.
  • Produktionsanlagen: In der Lebensmittelproduktion wird oft inmitten großer, miteinander verketteter Produktionsanlagen gearbeitet. Tätigkeiten wie Maschinenbedienung und Störungsbeseitigung erfordern besondere Qualifikationen.

Arbeitsbedingungen analysieren, Zuständigkeiten klären

Diese und weitere betriebsspezifische Faktoren machen vor dem Einsatz von Zeitarbeit eine sorgfältige Prüfung der Arbeitsbedingungen für Zeitarbeitnehmerinnen und -nehmer besonders wichtig. In der praktischen Umsetzung ist es sinnvoll, wenn dies die Disponentin oder der Disponent der Zeitarbeitsfirma und mindestens eine verantwortliche Person aus dem Einsatzbetrieb gemeinsam tun und die Einsatzorte im Betrieb entsprechend begutachten. Im Nachgang sollten in einer Arbeitsschutzvereinbarung die personenbezogenen Präventionsmaßnahmen eindeutig zwischen Zeitarbeitsunternehmen und Einsatzbetrieb aufgeteilt werden. Bei der persönlichen Schutzausrüstung (PSA) kommt zum Beispiel häufig die Regelung zum Tragen, dass über die Zeitarbeitsfirma gegebenenfalls erforderliche Sicherheitsschuhe organisiert werden. Alle weiteren persönlichen Schutzausrüstungen stellt aufgrund der betriebsspezifischen Gefährdungssituation der Einsatzbetrieb zur Verfügung.

Junges Mädchen unterschreibt Vertrag nach Interview mit der Besitzerin eines Cafés

Auch bei der Zeitarbeit gilt: Eine sorgfältige Einweisung, die Bereitstellung von Schutzausrüstung und die Integration in das Arbeitsschutzsystem sind unerlässlich, um die Sicherheit und Gesundheit aller Beschäftigten zu gewährleisten.

Weitere Arbeitsschutzpflichten im Einsatzbetrieb

Gefährdungsbeurteilung

Einsatzbetrieb und Zeitarbeitsunternehmen sind gleichermaßen für Sicherheit und Gesundheit der überlassenen Arbeitskräfte verantwortlich. Sowohl der Einsatzbetrieb als auch das Zeitarbeitsunternehmen müssen daher grundsätzlich eine Gefährdungsbeurteilung durchführen. Im Hinblick auf den Einsatzbereich der Zeitarbeitskraft sind vor Aufnahme der Tätigkeit die spezifischen Gefährdungen zu ermitteln. Über die Ergebnisse und weitere betriebliche Besonderheiten informiert der Einsatzbetrieb das Zeitarbeitsunternehmen im Vorfeld des Einsatzes. Dabei könnte es sich zum Beispiel um den Umgang mit Gefahrstoffen bei Reinigungstätigkeiten oder das Arbeiten mit Maschinen in der Lebensmittelverpackung handeln.

Unterweisung und Einweisung

Zeitarbeitnehmerinnen und -nehmer müssen vor Arbeitsbeginn über Gefahren, Schutzmaßnahmen und Verhaltensregeln unterwiesen werden. Dies umfasst unter anderem:

  • Bedienung von Geräten und Maschinen
  • Verwendung von PSA
  • Verhalten im Brandfall oder bei Unfällen

Für die betriebsspezifischen Gefährdungen im Einsatzbetrieb macht das in der Regel der Entleiher. Die Unterweisung muss dokumentiert und regelmäßig wiederholt werden.

Integration in die betriebliche Arbeitsschutzorganisation

Zeitarbeitnehmerinnen und -nehmer sind in das bestehende Arbeitsschutzsystem des Einsatzbetriebs zu integrieren. Sie nehmen an wiederkehrenden Sicherheitsunterweisungen teil, haben Zugang zu Betriebsanweisungen und werden in die betrieblichen Strukturen entsprechend eingebunden. Zu berücksichtigen ist, dass die Anzahl der Zeitarbeitskräfte in einem Betrieb bei der Ermittlung der Einsatzzeiten der Fachkraft für Arbeitssicherheit und des Betriebsarztes einfließt. Dies gilt gleichermaßen hinsichtlich der Anzahl von Sicherheitsbeauftragten und Ersthelfern.

Arbeitsmedizinische Vorsorge

Auch auf der Grundlage der Gefährdungsbeurteilung sich ergebende arbeitsmedizinische Vorsorgen müssen zwischen Einsatzbetrieb und Zeitarbeitsunternehmen abgestimmt werden. Diese können zum Beispiel durch den Betriebsarzt des Einsatzbetriebs oder einsatzübergreifend auf Veranlassung des Zeitarbeitsunternehmens durchgeführt werden. Wichtig ist hierbei, die konkrete Vorgehensweise in der Arbeitsschutzvereinbarung festzuhalten.

Qualifikationen

Werden besondere Qualifikationen zur Ausübung der Tätigkeit im Einsatzbetrieb benötigt, hat der Entleiher dies dem Zeitarbeitsunternehmen gegenüber vor der Auswahl geeigneter Arbeitskräfte mitzuteilen. Würde der geplante Zeitarbeitseinsatz beispielsweise das Führen eines Gabelstaplers beinhalten, müsste die eingesetzte Person im Besitz einer entsprechenden Fahrerlaubnis sein.

Abgrenzung der Zeitarbeit zum Werkvertrag

In der Praxis kommt es teilweise zu Verwechslungen zwischen Arbeitnehmerüberlassung und Werkverträgen. Die Unterschiede sind jedoch wesentlich:

Kriterium

Arbeitnehmerüberlassung

Werkvertrag

Weisungsgebundenheit

Ja – gegenüber dem Entleiher

Nein – Werkunternehmer organisiert selbst

Eingliederung in Betrieb

Ja

Nein

Ziel der Tätigkeit

Arbeitsleistung

Fertigstellung eines Werks

Verantwortlichkeit für Arbeitsschutz

Entleiher

Werkunternehmer (in Abstimmung mit Verantwortlichen des Betriebs)

Ein Beispiel: Wird ein Reinigungsteam beauftragt, ein Hotelzimmer zu säubern, und organisiert es sich selbstständig, was Ausführung und Arbeitszeiten angeht, handelt es sich um einen Werkvertrag. Werden jedoch einzelne Reinigungskräfte in den Hotelbetrieb eingegliedert und vom Hotelpersonal angeleitet, liegt Arbeitnehmerüberlassung vor.

Chancen und Risiken der Arbeitnehmerüberlassung

Die Arbeitnehmerüberlassung kann ein hilfreiches Instrument zur Deckung flexibel benötigter Arbeitskräfte sein. Doch mit der Übernahme von Zeitarbeitnehmerinnen und -nehmern gehen erhebliche Arbeitsschutzpflichten für den Entleiher einher. Eine sorgfältige Einweisung, die Bereitstellung von Schutzausrüstung und die Integration in das Arbeitsschutzsystem sind unerlässlich, um die Sicherheit und Gesundheit aller Beschäftigten zu gewährleisten. Wer diese Pflichten ernst nimmt, schützt nicht nur Arbeitnehmerinnen und -nehmer, sondern auch sich selbst vor rechtlichen und wirtschaftlichen Risiken.