
Mit Gefährdungsbeurteilung Muskel-Skelett-Erkrankungen vorbeugen
Rückenschmerzen, Sehnenentzündungen, Bandscheibenvorfälle – Muskel-Skelett-Belastungen (MSB) zählen seit Jahren zu den häufigsten arbeitsbedingten Gesundheitsproblemen. Die Ursachen liegen oft in einer unzureichenden ergonomischen Gestaltung von Arbeitsplätzen. Genau hier setzt die Gefährdungsbeurteilung als zentrales Instrument der Prävention an. Die BGN hat praxisnahe Erkenntnisse gewonnen, wie Betriebe gezielt gegensteuern können.
Wer täglich Lasten hebt, in erzwungener Körperhaltung arbeitet oder immer gleiche Bewegungsabläufe ausführt, kennt das wahrscheinlich: Rückenverspannungen, Schmerzen in Schultern, Armen oder Knien. Anfangs nur unangenehm, später – im schlimmsten Fall – der Beginn einer langfristigen Erkrankung wie Bandscheibenvorfall oder chronischer Sehnenentzündung. Die oftmals resultierenden Ausfallzeiten ziehen nicht nur hohe Kosten für den Betrieb nach sich, sondern schränken die Betroffenen auch im privaten Alltag erheblich ein.

Rückenschmerzen, Bandscheibenvorfall und Co.: Rund ein Viertel aller Arbeitsunfähigkeitstage in Deutschland sind auf Muskel-Skelett-Belastungen zurückzuführen.
Betriebsbesichtigungen mit System
Im Zeitraum 2022 bis 2025 rückte die BGN Muskel-Skelett-Belastungen in Betrieben mit weniger als 250 Mitarbeitenden in den Fokus. Ziel war es, durch systematische Betriebsbesichtigungen Erkenntnisse über die Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung und vorhandene Belastungssituationen zu gewinnen – und gleichzeitig Impulse zur Verbesserung zu setzen.
Insgesamt fanden 189 Vor-Ort-Besichtigungen statt – vor allem in Branchen mit hohem Risiko für körperliche Belastungen, etwa in der Lebensmittelproduktion, im Hotel- und Gastgewerbe mit Köchinnen, Köchen und Servicekräften sowie in Fleischereien und Bäckereien mit Verkaufspersonal. Die Aufsichtspersonen bewerteten dort vorhandene MSB-Risiken, prüften umgesetzte Maßnahmen und analysierten die Qualität der zugrunde liegenden Gefährdungsbeurteilungen.
Gefährdungsbeurteilung als Schlüssel zur Prävention
Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass in sechs von sieben Betrieben bereits geeignete Instrumente für die Bewertung von MSB zumindest teilweise vorhanden sind. In den restlichen Betrieben findet eine solche Bewertung noch nicht statt. Die Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung hinsichtlich MSB ist dabei von der Betriebsgröße abhängig. Gerade in Betrieben mit weniger als zehn Beschäftigten konnte ein erhöhter Verbesserungsbedarf festgestellt werden. Die Branchen selbst weisen dabei keine signifikanten Unterschiede in der Gesamtbewertung der Gefährdungsbeurteilung MSB oder in der Umsetzung der Maßnahmen auf. Dieser Befund unterstreicht den vorhandenen Unterstützungsbedarf gerade in kleineren Betrieben bezüglich der systematischen Betrachtung von Gefährdungen in einer Gefährdungsbeurteilung, die eben auch Muskel-Skelett-Belastungen berücksichtigt. Dies ist umso wichtiger, da in kleineren Betrieben ein krankheitsbedingter Ausfall bereits eines einzigen Beschäftigten spürbare Lücken im Betrieb hinterlässt und zu Mehrbelastung für das verbleibende Team führen kann.

Indem Unternehmen Muskel-Skelett-Belastungen in der Gefährdungsbeurteilung betrachten, decken sie mögliche Mängel rechtzeitig auf und können diese systematisch beseitigen.
Prävention nach dem TOP-Prinzip
Bei der Umsetzung von Präventionsmaßnahmen zur Vermeidung von MSB zeigt sich ein erfreuliches Bild: Der Großteil der Betriebe hat bereits Maßnahmen ergriffen, die den Beschäftigten hohe Belastungen abnehmen. Ebenfalls positiv zu bemerken ist, dass wenn Betriebe Maßnahmen umsetzen, überwiegend das TOP-Prinzip berücksichtigt wird, also technische, organisatorische und personenbezogene Maßnahmen in dieser Reihenfolge priorisiert werden.
Wo immer möglich, sollten körperliche Belastungen durch technische Hilfsmittel reduziert oder vermieden werden. Beispiele sind Hebehilfen wie kran- oder deckenmontierte Greifer oder Vakuumheber, die den Beschäftigten schweres Heben abnehmen. An die Situation angepasste Transporthilfen wie treppengängige Sackkarren können unterdessen den Transport von Fässern oder Getränkekisten unterstützen. In vielen Fällen bewirkt auch die Anpassung der Arbeitshöhe eine deutliche Verbesserung: Höhenverstellbare Tische oder Tischauflagen für feinere Tätigkeiten, aber auch Scherenhubtische ermöglichen eine aufrechte und entspannte Körperhaltung bei der Arbeit.

(Treppengängige) Sackkarren nehmen den Beschäftigten schweres Tragen ab - das kann MSB vorbeugen.

Scherenhubtische eignen sich zur Höhenanpassung in Betrieben aller Größen.

Auch Federbogenwagen erleichtern durch ihre variable Hubhöhe das Bewegen, Be- und Entladen schwerer Lasten.
Nicht zu unterschätzen sind auch organisatorische Maßnahmen, worunter unter anderem der Wechsel zwischen unterschiedlichen Tätigkeitsarten, die Einführung von Kurzpausen, aber auch eine regelmäßige Unterweisung der Beschäftigten in Bezug auf MSB fallen. Immerhin in gut der Hälfte aller Betriebe erfolgte im Rahmen der Unterweisung eine Anleitung zur Vermeidung körperlicher Fehlbelastungen direkt am Arbeitsplatz. Durch eine solche Unterweisung vor Ort kann das nötige Wissen viel konkreter vermittelt und die Bereitschaft zu gesundem Arbeitsverhalten erzeugt werden.

Eine Unterweisung vor Ort ermöglicht es, direkt auf vorhandene Gefährdungen und richtiges Verhalten einzugehen.
Personenbezogene Maßnahmen wie Anleitung zu Ausgleichs- und Dehnübungen am Arbeitsplatz sowie die Unterstützung durch Gesundheits- und Sportangebote runden das Präventionskonzept ab. Sie dürfen jedoch nicht als einzige Lösung gelten, da sie alleinig, ohne technische oder organisatorische Anpassungen selten ausreichen, um hinreichend vor gesundheitlichen Problemen zu schützen.
Tipps für die Integration ergonomischer Gefährdungen in die Gefährdungsbeurteilung:
- Unbedingt die betroffenen Beschäftigten bei der Analyse, Bewertung und Lösungsfindung ergonomischer Sachverhalte miteinbeziehen.
- Bewertungsverfahren wie die Leitmerkmalmethode zum Bestimmen der vorliegenden Belastung nutzen.
- Die Bewertung sowie die getroffenen Maßnahmen dokumentieren.
- Die Bewertung der Arbeitsplätze in regelmäßigen Abständen wiederholen – vor allem, wenn sich Rahmenbedingungen ändern.
- Langfristig am Thema Ergonomie dranbleiben und die Wirksamkeit von umgesetzten Maßnahmen überprüfen.
MSB-Prävention beginnt mit der Gefährdungsbeurteilung
Die Ergebnisse des Arbeitsprogramms zeigen klar: Die Gefährdungsbeurteilung ist der zentrale Schlüssel zur wirksamen Prävention von Muskel-Skelett-Erkrankungen. Insbesondere in kleineren Betrieben besteht hier teilweise Nachholbedarf, sowohl bei der Durchführung der Beurteilung selbst als auch bei der Umsetzung geeigneter Maßnahmen.
Besonders wirksam ist es, wenn Betriebe technische Lösungen priorisieren, organisatorisch für Abwechslung sorgen und die Beschäftigten praxisnah unterweisen. Wer dabei zusätzlich auf arbeitsmedizinisches Fachwissen zurückgreift, kann spürbare Verbesserungen erzielen – für die Gesundheit der Beschäftigten ebenso wie für die Stabilität des Betriebsablaufs.
Die BGN unterstützt in den Bereichen Gefährdungsbeurteilung und Ergonomie unter anderem mit praxistauglichen Informationen auf den BGN-Branchenwissen-Seiten, durch Onlinevorträge und -seminare sowie Beratung vor Ort.
BEM und BGN: Darauf können BGN-Mitgliedsbetriebe zählen
- BGN-Branchenwissen „Gefährdungsbeurteilung“
- BGN-Branchenwissen „Ergonomie“
- Neu: Mit der digitalen Gefährdungsbeurteilung im Extranet bietet die BGN eine hervorragende Lösung für kleine und mittlere Betriebe.
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