Ihre Aufgabe ist es, Leben zu retten und die Gesundheit der Beschäftigten zu schützen: Die Rede ist von Schutzeinrichtungen. Man findet sie an Maschinen, aber auch vor den spannungsführenden Teilen elektrischer Anlagen, an Absturzkanten oder am Zugang zu Gefahrenbereichen. Sie heißen Umzäunung, Geländer, Verdeckung oder Umwehrung, im betrieblichen Alltag nimmt man sie als etwas Selbstverständliches wahr. Manchmal muss man sie aber entfernen, zum Beispiel wenn an der Maschine oder Anlage etwas zu reparieren ist. Dann heißt es, besonders vorsichtig zu Werke zu gehen.

Wenn die Arbeiten abgeschlossen sind, sollten die lebensrettenden Schutzeinrichtungen natürlich umgehend wieder angebracht werden. Mitunter wird dies vergessen oder aus anderen Gründen nicht gleich gemacht. Was dann passieren kann, zeigen einige Beispiele aus den Unfallakten der BGN.

Versäumnis mit dramatischem Ende

Am Leerpaletten-Transport einer Getränkeabfüllanlage war der Drehtisch defekt. Zur Reparatur musste die zylindrische Schutzverkleidung des Drehtischs entfernt werden. Nach dem Austausch des gerissenen Antriebsriemens und verschiedenen Einstellarbeiten wollte man die Funktionsweise des Drehtischs noch weiter beobachten und hat daher die Verkleidung nicht sofort wieder angebracht. Die Anlage lief dann mehrere Tage mit dem ungeschützten Drehtisch. Als ein Mitarbeiter in den Gefahrenbereich des Drehtischs hineingeriet, wurde er von der automatisch gestarteten Drehbewegung erfasst und eingeklemmt. Dabei erlitt er tödliche Verletzungen.

Reparaturen mit speziellem Werkzeug und Schutzanzug

Wenn Schutzeinrichtungen wie Umzäunungen, Geländer, Verdeckungen oder Umwehrungen vorübergehend – etwa für Reparaturarbeiten – entfernt werden müssen, ist besondere Vorsicht geboten.

Um den Unfall zu verhindern, hätte der ungesicherte Gefahrenbereich des Drehtischs abgesperrt werden müssen, solange die Verkleidung entfernt war, und alle Beschäftigten, die sich im Bereich der Abfüllanlage aufhalten, hätten zu der besonderen Gefährdungssituation unterwiesen werden müssen. Vor allem darf ein ungesicherter Betrieb grundsätzlich nur so lange dauern, wie es betriebstechnisch zwingend erforderlich ist. Hier war aber die Instandsetzung längst beendet und aus der vorübergehenden Reparatur war eine Art Dauerzustand geworden. Es wirkte sich fatal aus, dass das Wiederanbringen der Schutzverkleidung „vergessen“ wurde.

Tödlicher Probelauf

In einem Backbetrieb funktionierte an einer Knetmaschine die Arretierung des Bottichs nicht mehr. Der für die Instandhaltung zuständige Beschäftigte schraubte die Verkleidung über dem Antriebsmechanismus ab und setzte diesen instand. Dann wollte er eine Art Probelauf durchführen und startete die Maschine. Während sich der Maschinenkopf mit dem Knetwerkzeug langsam absenkte, beugte er sich – um alles ganz genau beobachten zu können – über den noch ungesicherten, frei liegenden Antrieb. Der Mitarbeiter wurde von den ungesicherten Teilen des Bottichantriebs erfasst und fixiert, sodass er nicht ausweichen konnte, als ihn das Knetwerkzeug am Kopf traf und tödlich verletzte.

Auch in diesem tragischen Fall war die entfernte Schutzeinrichtung die wesentliche Unfallursache. Der Probelauf wäre auch mit wieder angebrachter Schutzeinrichtung möglich gewesen. Ansonsten hätte eine andere Vorgehensweise gewählt werden müssen, beispielsweise eine Durchführung des Probelaufs zu zweit, um gefährliche Situationen schnell erkennen und Gefahr bringende Bewegungen durch Betätigung des Not-Halts umgehend stoppen zu können. Es muss klar sein: Bei Arbeiten, für die Schutzeinrichtungen entfernt werden müssen, ergibt sich ein deutlich erhöhtes Risiko. Daher sind diese Arbeiten besonders zu beurteilen und es müssen geeignete Maßnahmen zur Gewährleistung einer ausreichenden Sicherheit festgelegt werden.

Es muss klar sein: Bei Arbeiten, für die Schutzeinrichtungen entfernt werden müssen, ergibt sich ein deutlich erhöhtes Risiko. Daher sind diese Arbeiten besonders zu beurteilen und es müssen geeignete Maßnahmen zur Gewährleistung einer ausreichenden Sicherheit festgelegt werden.

Die zweitbeste Lösung ist nicht gut genug

Im Fertigwarenlager eines Konservenherstellers befindet sich in etwa vier Meter Höhe eine Bühne, die zum Lagern von Ersatzteilen sowie von zeitweise nicht benötigten Maschinen verwendet wird. Die Absturzkante ist normalerweise durch steckbare Geländer gesichert, die zum Ein- und Auslagern jeweils entfernt werden. Nach einem Auslager-Vorgang wurde „in der Hektik“ vergessen, eines der Steckgeländer wieder einzusetzen. Als der Produktionsleiter einige Zeit später auf der Lagerbühne nach einer sehr selten benutzten, nun aber dringend benötigten Maschine suchte, geriet er in die Nähe der Absturzkante. Er blieb an einer herumstehenden leeren Palette hängen, stolperte und fiel über die ungesicherte Bühnenkante auf den Hallenboden. Dabei verletzte er sich lebensgefährlich.

Steckbare Geländer sind an dieser Stelle nur die zweitbeste Lösung gewesen, ideal sind hier sogenannte Schleusengeländer, mit denen die Übergabestellen permanent gesichert bleiben. Wenn aber Steckgeländer verwendet werden, dann gilt auch hier „Vergissmeinnicht!“ in Bezug auf das Wiedereinsetzen des entfernten Geländers.

Werkzeugwagen steht vor einer Anlage

Für die Zeit des „unsicheren“ Zustands, in der die Schutzeinrichtung fehlt, müssen geeignete Maßnahmen das Restrisiko minimieren – beispielsweise Zutrittsbeschränkungen, Absperrungen, Warnschilder und entsprechende Freigabeprozeduren.

Aufmerksamkeit maximieren, Restrisiken minimieren

„Vergissmeinnicht!“ gilt also überall dort, wo Schutzeinrichtungen, die nicht mit den Antrieben verriegelt sind, vorübergehend für Wartungs- und Reparaturarbeiten demontiert werden müssen. Es gilt auch, wenn für Renovierungsarbeiten die Abdeckungen von Steckdosen und Schaltern entfernt oder bei der Reinigung Gitterroste über Gullys ausgehoben werden. Und für die Zeit des „unsicheren“ Zustands, in der die Schutzeinrichtung fehlt, ist es erforderlich, sich Gedanken über geeignete Maßnahmen zu machen, mit denen das Restrisiko akzeptabel bleibt. Das können dann Zutrittsbeschränkungen, Absperrungen, Warnschilder und entsprechende Freigabeprozeduren sein.

„Vergissmeinnicht!“ ist demnach ein wichtiger Punkt bei der Umsetzung der VISION ZERO, der Vision einer Welt ohne Arbeitsunfälle und arbeitsbedingte Erkrankungen.