Akzente: Herr Krüger, haben sich viele Personen die Zeit genommen, an der Umfrage teilzunehmen?

Henning Krüger: Das kann man schon sagen. Die Themen sind offensichtlich auf großes Interesse gestoßen. Es haben sich 1.635 Personen aus allen Branchen beteiligt, vor allem aus der Nahrungsmittelindustrie, dem Gastgewerbe und der Fleischwirtschaft. 20 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer stammen aus kleinen Betrieben bis zehn Beschäftigte, 21 Prozent aus Betrieben mit mehr als 500 Beschäftigten. Von der Funktion her gab jeweils ein Viertel der Befragten an, Unternehmer, Sicherheitsfachkraft oder Sicherheitsbeauftragter zu sein. Es haben aber auch Betriebsräte, Brandschutzbeauftragte, Arbeitsmediziner und Dienstleister an der Umfrage teilgenommen.

Akzente:  Wie hoch ist der Anteil der Betriebe, die aufgrund der Energiekrise auf energieeffiziente Wärme- und Kältetechnik umgestellt haben?

Krüger: Ein knappes Viertel. Der Großteil hatte bereits vor Jahren seine Anlagen erneuert oder modernisiert und die Möglichkeiten der Wärmerückgewinnung genutzt. Vereinzelt gab es aber auch die Rückmeldung, dass die finanziellen Mittel für eine Sanierung nicht vorhanden seien.

Akzente: Welche erneuerbaren Energieträger kommen infrage?

Krüger: Am häufigsten wurden von allen Branchen und Betriebsgrößen mit einem guten Drittel Photovoltaik und Solarthermie genannt. Blockheizkraftwerke und Wärmepumpen folgen in etwa gleich auf dem zweiten Platz. An dritter Stelle liegt Biogas, gefolgt von Windkraft. Gerade kleinere Betriebe bis 50 Beschäftigte bringen aber auch Holzpellet- und Hackschnitzelanlagen zum Einsatz.

Portrait Henning Krüger

Etwa 48 Prozent der Betriebe haben sich mit dem Klimawandel und seinen möglichen Folgen für den Arbeitsschutz auseinandergesetzt – vor allem dort, wo Beschäftigte im Freien arbeiten.

Akzente: Erneuerbare Energieträger können neue Gefährdungen mit sich bringen, wie wir es leider bei Holzpelletanlagen bereits gesehen haben. Welche Unterstützung seitens der BGN wünschen sich die Mitgliedsbetriebe diesbezüglich?

Krüger: Das variiert je nach Branche. Die Nahrungsmittelindustrie und die Schausteller wünschen sich vor allem Informationsmaterial, die anderen Branchen sprechen sich für prämienfähige Präventionsansätze aus. Natürlich besteht ebenso Interesse an spezifischen Seminaren, an messtechnischer Unterstützung im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung und an Beratung vor Ort durch die Aufsichtspersonen.

Akzente: Inwieweit ist der Klimawandel bereits ein Thema in den Betrieben?

Krüger: Etwa 48 Prozent der Betriebe haben sich mit dem Klimawandel und seinen möglichen Folgen für den Arbeitsschutz auseinandergesetzt – vor allem dort, wo Beschäftigte im Freien arbeiten. Hier werden bereits zusätzliche Belastungen bei den Mitarbeitenden gesehen, etwa für das Herz-Kreislauf-System durch Hitze oder hohe Temperaturschwankungen, aber auch psychische Stressreaktionen wie erhöhte Reizbarkeit sowie der Mangel an Konzentrationsfähigkeit. Es wird davon ausgegangen, dass das Unfallrisiko durch die hitzebedingte Schwächung des Körpers steigen wird.

Akzente: Mit welchen zukünftigen Risiken rechnen  die Verantwortlichen vor allem?

Krüger: Befürchtet wird eine Zunahme von Starkwinden mit entsprechenden Unfallgefahren, auch mit Risiken, die bei der Beseitigung der Schäden entstehen. Daneben wird von einer erhöhten Krankenquote aufgrund neuer Infektionskrankheiten, häufigeren Zeckenbissen, Mücken- und Wespenstichen sowie vermehrten Allergenen ausgegangen. Bei Arbeiten im Freien rechnen die Befragten mit mehr Haut- und Augenschäden aufgrund einer erhöhten UV-Strahlung.

„Ein knappes Viertel der Betriebe hat aufgrund der Energiekrise auf energieeffiziente Wärme- und Kältetechnik umgestellt.“

Akzente:  Wurden bereits Vorsorgemaßnahmen getroffen?

Krüger: Etwa ein Drittel der Betriebe hat dies bereits getan, besonders dann, wenn Tätigkeiten im Freien ausgeübt werden. Angefangen von der Ergänzung der Gefährdungsbeurteilung über die Unterweisung im Umgang mit Hitzeperioden bis hin zur Bereitstellung von Wasser und alkoholfreien Erfrischungsgetränken. Es werden aber auch verstärkt flexible Arbeitszeiten und, wo es möglich ist, Homeoffice angeboten. Nicht klimatisierte Räume werden beschattet und UV-Schutz-Verglasung kommt zum Einsatz. Wo möglich, wird die Produktion auf weniger warme Tageszeiten verlagert und die Rotation der Beschäftigten gefördert. Für Tätigkeiten im Freien stellen die Unternehmen UV-schützende und kühlende Arbeitskleidung zur Verfügung. Außerdem wird vermehrt arbeitsmedizinische Vorsorge angeboten.

Akzente:  Will man Hilfe und Unterstützung von der BGN – und wenn ja, welche?

Krüger: Hier gibt etwa ein Drittel der Befragten an, Hilfe in Anspruch nehmen zu wollen. Gut zwei Drittel gehen davon aus, diese nicht zu benötigen. Am häufigsten werden Informationsmaterial und Seminare nachgefragt, aber auch Beratungen vor Ort, insbesondere zur psychischen Belastung der Beschäftigten. Auch arbeitsmedizinische Sprechstunden würden in Anspruch genommen werden. An Seminaren hätten vor allem Unternehmer und Sicherheitsfachkräfte aus dem Gastgewerbe, der Nahrungsmittelindustrie und der Getränkeindustrie Interesse. Beratung zur Minderung der psychischen Belastung wünschen sich vor allem Betriebsratsmitglieder, an arbeitsmedizinischen Sprechstunden wären insbesondere Betriebsmediziner interessiert.

Akzente:  Wie kann die BGN den Erfahrungsaustausch zu den Themen Klimawandel und erneuerbare Energieträger fördern?

Krüger: Regional bieten wir Austauschveranstaltungen für Sicherheitsfachkräfte an, bei denen diese Themen zur Sprache kommen können. Auch in BGN-Seminaren können die Teilnehmenden dazu gut ins Gespräch kommen, insbesondere wenn diese in Präsenz stattfinden. Und schließlich freuen wir uns natürlich über Einreichungen auch zu diesen Themen im Rahmen unseres Präventionspreises. Die ausgezeichneten Gewinner des vergangenen Jahres werden im Rahmen unserer digitalen Arbeitsschutztagung am 12. und 13. November 2024 ihre Präventionslösungen einem breiten Publikum vorstellen.