
Gute Luft, gesunde Mitarbeitende
Luft umgibt uns alle, auch bei der Arbeit. Eine gute Luftqualität ist nicht nur für die Herstellung einwandfreier Produkte entscheidend, sondern nimmt auch großen Einfluss auf die Gesundheit der Beschäftigten. Um das sicherzustellen, braucht es ausgeklügelte Belüftungssysteme. Wann ein solches System Sinn ergibt, worauf es ankommt und wie die BGN dabei unterstützt, erklärt der BGN-Experte Dr. Peter Rietschel, der sich seit mehr als 30 Jahren mit der Luftqualität am Arbeitsplatz befasst.

Was ist eine Belüftungsanlage?
Dr. Peter Rietschel: Eine Belüftungsanlage ist ein technisches System. Es sorgt für frische, gefilterte Luft (Zuluft) und führt belastete Luft ab (Abluft). Die Belüftungsanlage kann die Luft je nach Bedarf erwärmen, kühlen, befeuchten oder entfeuchten. Dann sprechen wir von einer Klimaanlage. Wichtig ist: Die Zuluft muss zugfrei und gezielt zu den Beschäftigten im Betrieb gelangen. Die Abluft muss dort abgesaugt werden, wo die Luftverunreinigung am höchsten ist – in Küchen beispielsweise über Fritteusen und Kochstellen. Die Zuluft allein bestimmt die Luftbewegung im Raum, während Abluft fast ohne Einfluss auf die Raumströmungen belastete Luft aufnimmt. Beide Systeme müssen perfekt zusammenarbeiten, um eine effiziente Luftqualität zu gewährleisten. Eine Belüftungsanlage sollte von Beginn an beim Konzept mitgedacht werden.
Wann ist eine Belüftungsanlage sinnvoll?
Rietschel: Belüftungsanlagen sind notwendig, wenn Gefahrstoffe, Hitze oder Feuchtigkeit die Arbeitsbedingungen beeinträchtigen. Sie gehören zu den technischen Präventionsmaßnahmen („T“) gemäß dem STOP-Prinzip. Zum Beispiel lässt sich in einer Backstube das Mehl nicht ersetzen („S“ = Substitution), weil es zum Arbeiten benötigt wird. Deshalb greift hier die technische Maßnahme („T“), um gute und gesunde Luft am Arbeitsplatz sicherzustellen.
Das STOP-Prinzip definiert die Reihenfolge, in der Präventionsmaßnahmen ergriffen werden sollen.
Jeder Buchstabe in „STOP“ steht für eine Art von Maßnahme:
- S = Substitution (z. B. Ersetzen von Gefahrstoffen)
- T = Technische Maßnahme (z. B. Lüftungsanlage)
- O = Organisatorische Maßnahme (z. B. weniger Personen belastenden Faktoren aussetzen bzw. exponieren, kürzere Expositionszeiten)
- P = Persönliche Schutzmaßnahme (z. B. Schutzhandschuhe, Atemschutz)
Welche rechtlichen Vorgaben gelten für Temperatur und Feuchtigkeit?
Rietschel: Die Arbeitsstättenverordnung gibt Richtwerte für Temperatur und Feuchtigkeit an Arbeitsplätzen vor. In Bereichen wie Kühlhäusern, wo Anpassungen der Lufttemperatur nicht möglich sind – Lebensmittel müssen einfach bei einer bestimmten Temperatur gelagert werden –, sorgt Persönliche Schutzausrüstung (P) für akzeptable Arbeitsbedingungen. In Teilen der Lebensmittelindustrie ist die Filterung der Zuluft zum Schutz des Produkts unverzichtbar, beispielsweise für Produkte wie rohes Fleisch, Fisch oder Toastbrot, das sogar unter Reinraumbedingungen verarbeitet wird.
Liegt die Verantwortung für die Luftqualität am Arbeitsplatz beim Unternehmen?
Rietschel: Die Pflicht zur Einhaltung von Arbeitsschutzgesetzen liegt bei der Unternehmerin oder dem Unternehmer. Auch bei delegierten Aufgaben bleibt sie beziehungsweise er verantwortlich. Sie oder er muss überprüfen, inwiefern atemluftbelastende Stoffe ersetzt werden können („S“) oder ob andere Maßnahmen zum Schutz der Mitarbeitenden nötig sind („TOP“). Bei Bedarf kann man sich von den BGN-Expertinnen und -Experten beraten lassen.
Was sind Lasten in der Luft?
Zu den Lasten in der Luft gehören alle luftfremden Stoffe wie Gefahrstoffe, Staub, andere freigesetzte Substanzen sowie Feuchtigkeit und Hitze. Diese beeinträchtigen die Luftqualität und müssen durch geeignete Systeme entfernt werden, um ein gesundes Arbeitsumfeld zu schaffen.
Gefahrstoffe in der Küche
Gefahrstoffe entstehen in der Küche bei der Erhitzung von organischem Material wie Fisch, Fleisch oder Gemüse durch Zersetzungsprozesse auf molekularer Ebene.
Was sind typische Herausforderungen bei der Einrichtung oder dem Betrieb von Belüftungsanlagen?
Rietschel: Engere Räume erfordern anspruchsvollere Belüftungssysteme, um Lasten wirkungsvoll und zugleich zugfrei zu entfernen. Probleme entstehen dabei oft, wenn Zuluft und Abluftsysteme nicht richtig aufeinander abgestimmt sind. Mit die anspruchsvollsten Lüftungssysteme werden in Küchen benötigt. Hier kommen regelmäßig hohe Lasten durch die Kochprozesse und viele Beschäftigte in engen Räumen zusammen. Eine ineffiziente Belüftungsanlage führt hier zu Gesundheitsbeschwerden der Mitarbeitenden bis zu Personalausfällen, erhöhter Brandgefahr und einem höheren Reinigungsaufwand.
Gibt es neue gesetzliche Vorgaben zu Lüftungssystemen – und was bedeutet das für Betriebe?
Rietschel: Durch das Gebäudeenergiegesetz sind einfache Abluft-Zuluft-Systeme ohne Wärmerückgewinnung oft nicht mehr zulässig. Dort kommt es immer zu einem Wärmeverlust. Größere Anlagen benötigen nun eine Wärmerückgewinnung: Wärme aus der Abluft muss der Zuluft zugeführt werden, ohne sie zu verunreinigen. Zusätzlich muss die Abluft gereinigt werden. Im Fachjargon: Das System rekuperiert die Energie. Diese gesetzlichen Vorgaben machen Belüftungssysteme komplexer und teurer. Zur Unterstützung sind hier Fachfirmen mit einschlägigen Erfahrungen zu empfehlen.
Tipp beim Pächterwechsel
Beispiel Küche: Mit der Zeit können sich bei mangelnder Wartung Schmutz und Fett in den Leitungen der Belüftungsanlage ansammeln. Neben der erhöhten Gesundheits- und Brandgefahr kann so auch der Luftvolumenstrom empfindlich verringert werden. Daher ist es empfehlenswert, nach der Übernahme eines neuen Betriebs zunächst die komplette Be- und Entlüftungsanlage auf Sauberkeit und Betriebsfähigkeit hin zu überprüfen und das in regelmäßigen Intervallen zu wiederholen.
Wie wichtig sind Wartung und Reinigung der Lüftungsanlage?
Rietschel: Die Belüftungsanlage braucht Zugänge für Wartung und Reinigung. Regelmäßige Wartung verlängert die Lebensdauer, die Reinheit und Effektivität von Lüftungssystemen. Welche Intervalle im jeweiligen Betrieb für Wartung und Reinigung vorgeschrieben sind, lässt sich für Küchen in der Arbeitssicherheitsinformation (ASI) 2.19 nachlesen. Hier sind viele Faktoren entscheidend. Wer regelmäßig schaut, kann dann mit „Learning by Doing“ abschätzen, wann eine Reinigung im eigenen Betrieb sinnvoll ist. Verschmutzte Zuluftanlagen bedeuten Gesundheitsgefahr und verschmutze Abluftanlagen eine erhöhte Brandgefahr.
Wann sind Anpassungen der Lüftungsanlage nötig?
Rietschel: Bei Veränderungen der Arbeitsbereiche – etwa durch das Hinzufügen neuer Geräte oder eine neue Anordnung – muss auch die Lüftung entsprechend angepasst werden, damit Zuluft und Abluft weiterhin optimal funktionieren. Beim Konzept einer Belüftungsanlage können sich Unternehmen an versierte Fachfirmen wenden. Es ist empfehlenswert, hierbei die Ausführung nach den einschlägigen Normen und Richtlinien zu vereinbaren. Im Fall der Küchenlüftung ist das die DIN EN 16282 sowie die VDI-Richtlinie 2052. Hier ist der Stand der Technik beschrieben. Wir raten unseren Mitgliedsbetrieben: Holen Sie sich am besten Referenzen ein und wählen Sie Hersteller aus, die in der Branche schon einen Namen haben – so stellen Sie sicher, dass Sie mit Profis arbeiten.
Mehr zum Thema:
Die BGN bietet Beratungen zu Lüftungskonzepten an. Kontaktieren Sie dazu Ihre zuständige Aufsichtsperson (AP). Weitere Hilfen und Informationen über Belüftungsanlagen:
- ASI 2.19 „Be- und Entlüftung von gewerblichen Küchen“
- Zuständige BGN-Aufsichtsperson suchen
- Weiterführende Informationen und Praxishilfen bietet die BGN-Themenseite „Gute Luft am Arbeitsplatz“.